The Death of the Audience hinterfragt am Schauplatz dieser Ereignisse die Jahre 1960–1980, die ebenfalls eine Zäsur in unserer Zeitgeschichte setzten. Im Fokus stehen die Positionen jener KünstlerInnen, die die ProtagonistInnen dieser neuen Periode des Umbruchs waren, die sich insbesondere um 1970 manifestierte. Für diese beiden Perioden der Revolte, zwischen denen sich die moderne Kunst konstituierte und die beiden Weltkriege stattfanden, könnte man in vielen Punkten Gemeinsamkeiten finden. Man könnte sogar so weit gehen zu sagen, dass der Wiener Jugendstil eine Postmoderne vor der Moderne war. Oder versucht sein, die Figur des emanzipierten Secessionskünstlers mit jenen zeitgenössischen KünstlerInnen zu vergleichen, die manche heute (unabhängig von den KünstlerInnen selbst) als anti-, alter- oder neomoderne KünstlerInnen (Altermodern, Tate Triennale, 2009, London) bezeichnen. Man könnte auch die Kulisse der industriellen Revolution des 19. Jahrhunderts mit jener der Gesellschaft des Spektakels der 1970er Jahre vergleichen, die bis heute andauert, wenn man versucht, die neue Rolle der Künstlerin/des Künstlers zu definieren (Weltenmachen, 53. Biennale di Venezia, 2009 oder Le spectacle du quotidien, Lyon-Biennale 2009).
Die Ausstellung The Death of the Audience jedoch versucht wie andere Initiativen auch (What Keeps Mankind Alive?, Istanbul-Biennale, 2009), die radikale Veränderung aufzuzeigen, die zwischen diesen beiden historischen Perioden stattfand. Der Titel der Ausstellung markiert diese Veränderung, indem er den Akzent von der Rolle und Mission der Künstlerin/des Künstlers auf das Publikum verlagert. Die Alternative Emanzipation oder Entfremdung ist wohl eine der wesentlichen Herausforderungen sowohl der proto-revolutionären als auch der postmodernen revolutionären Periode. Tatsächlich hat sich zu Beginn des 20. Jahrhunderts alles auf die Person des Künstlers (heterosexuell, männlich) konzentriert (L’art pour l’art, die Manifeste, die Autoreflexivität), wohingegen sich diese Herausforderung seit 1968 auf der Ebene des Betrachters zeigt (das Verschwinden der Künstlerin/des Künstlers, die Gender-Frage, der Begriff der Partizipation, das Publikum). Der Titel The Death of the Audience, der Bezug nimmt auf das 1968 erschienene Buch Der Tod des Autors von Roland Barthes, konstatiert den Tod der Betrachterin/des Betrachters, dem wir beiwohnen, als logische Konsequenz. Die Ausstellung thematisiert die damit verbundene Trauer in zweierlei Hinsicht. Die Betrachterin/der Betrachter ist tot. Entweder sie/er ist emanzipiert – der Kunst ist es gelungen, eine interaktive Dynamik zu erzeugen, die den Status und Namen der Protagonisten (Jacques Rancière) neu definiert – oder sie/er hat sich vom Werk entfremdet und auf einen Prozess der Interpassivität eingelassen, der sie/ihn letztlich absorbiert und ihr/ihm seinen Namen raubt (Slavoj Žižek).
Die in dieser Ausstellung vertretenen KünstlerInnen verbindet, dass sie sich sehr früh der Grenzen dieser Alternative bewusst waren. Indem sie marginalisiert waren oder sich vom Markt oder den Institutionen marginalisieren ließen, haben sie die Kunst vor allem als kritische, konkrete und alltägliche Praxis entdeckt. Ihre Secession, ihre Abspaltung, sollte die unsere als BetrachterInnen sein: eine Weigerung, sich auf eine Rolle festlegen zu lassen.
Verweise zu Außenraumprojekten der KünstlerInnen:
Third Text, Rasheed Araeen, London
Teatr’arteria, Carlo Quartucci e Carla Tato, Roma
Mountain Home Studio Kentfield, Anna Halprin, California
Common Space – Private Space, Fine Arts Academy, Grzegorz Kowalski, Warszawa
Edward Krasiński’s Studio, Instytut Awangardy, Warszawa
John Latham’s Flat Time House, London
The Július Koller Society, Bratislava