Boyz in the Wood wird auf drei, auf Stützen hängenden Monitoren gezeigt. Zu sehen sind drei comichaft stilisierte Baumgesichter, die eine groteske Konversation führen: Der Wunsch des Einen sich fortzubewegen, nach einem Weiterkommen, wird mit Unverständnis begegnet und letztlich mit Resignation quittiert. In der Ausstellung thematisiert Susi Jirkuff – nicht ohne Ironie – die Diskrepanz zwischen dem propagierten Paradigma eines Alles-ist-Möglich auf der einen und (realen) individuellen wie gesellschaftlichen Beschränkungen / Unfreiheiten auf der anderen Seite. Symbolisch steht der in seiner Umgebung verwurzelte, eben nicht flexible Baum für diesen Antagonismus, der selbst wenn er wollte nicht weg kann. Eine an die Wand skizzierte Bushaltestelle evoziert hingegen so unterschiedliche Assoziationen wie Aufbruch und Sehnsucht oder Warten und Ödnis. Der Titel ihrer Videoanimation ist eine Referenz an den Kinofilm Boyz n the Hood, in dem Regisseur John Singleton 1991 ein authentisches Porträt des Ghettolebens in South Central L.A. zeichnete.
„Der Titel bezieht sich insofern auf den Film, als dieser ein bestimmtes Milieu beschreibt, in dem soziale Umstände zwar reflektiert werden, die Optionen sie zu verändern jedoch gering sind. […] Mithilfe der Form einer Unterhaltung transferiere ich die Behauptung in einen absurden Kontext, indem ich sie der statischen Situation von drei Bäumen gegenüberstelle. […] Durch die Bäume wird der Dialog auf eine surreale Ebene verschoben; der Gedanke, man könne sich als Baum ‚vom Acker machen‘ hat etwas lächerlich Rührendes und gleichzeitig etwas größenwahnsinnig Brachiales.“ (Susi Jirkuff, Interview mit Jeanette Pacher)
Zu den bevorzugten künstlerischen Medien von Susi Jirkuff, die in Linz und London Bildhauerei studierte, zählen die Zeichnung, die auf unterschiedliche Weise zum Einsatz kommt, Videoanimation und Rauminstallation. In ihren Werken, die international in Ausstellungen und auf Filmfestivals gezeigt wurden, verhandelt Jirkuff die mediale Konstruktion von Realität, Popkultur als identitätsstiftende Kraft, die Darstellung von (sub)urbanem Leben und anonymisierten Räumen und soziale Isolation.
Die Strategie der Verschränkung des Ausstellungsraums mit dem fiktiven, virtuellen Raum der Videoanimation mittels einer ausgeklügelten Inszenierung und Dramaturgie ist schon bei früheren Ausstellungen zu sehen. In ihrer Ausstellung Rainy Days 2012 im Medienturm in Graz etwa präsentierte sie drei Animationsvideos A_The Elusive Life of Mr. A (2010), B_The Bitch (2011) und C_The Reality Check (2012) in einer Rauminstallation aus Objekten und Wandzeichnungen, deren minimal reduzierte Formensprache deutliche Parallelen zu den Videos aufwies. In dem Setting, das eine standardisierte Wohnsituation repräsentierte, entfaltete sich ein Narrativ zwischen den drei Videos respektive ihren Protagonisten: ein um Aufmerksamkeit ringender und gegen die allgegenwärtige Konkurrenz des Fernsehens ankämpfender Künstler, seine Nachbarin und ein Kurator. Die monologische Tonspur unterstreicht allerdings, wie sehr die drei Figuren in ihrer jeweiligen Realität isoliert sind.
Bilder aus Zeitungen, Fernsehen und Internet ebenso wie eigene Fotografien dienen Jirkuff als Quelle und Vorlage für ihre Zeichnungen und Animationen. In remote control (2001) zappt das Bild von Fernsehsender zu Fernsehsender. Zu sehen ist eine Abfolge stereotyper TV-Formate wie Talk Shows, Dokumentationen oder Nachrichten und prominente Personen. Die Vertrautheit der Bilder erfährt durch die Tonspur eine Irritation: Es sind nicht Fetzen banalen Smalltalks oder nüchterne Erläuterungen zu hören, überraschenderweise werden im Off-Kommentar stattdessen das Phänomen gesellschaftlicher Fragmentierung und Anonymisierung und der Beitrag der Medien dazu beleuchtet. Choreographies ist eine fortlaufende Sammlung animierter Zeichnungen von alltäglichen Handlungen, beiläufigen Bewegungen, intimen Gesten. Diese Miniaturen werden nach dem Bausteinprizip immer wieder neu kombiniert und montiert und variieren je nach Kontext in ihrer Bedeutung. Popmusik und die individuelle wie kollektive Sozialisation anhand bestimmter Bands und Musikgenres spielt in einer Reihe von Arbeiten eine tragende Rolle, so z.B. in Friday I’m in Love (2007), Zappa (2009), Fifty & Gromit (2006) oder People Who Like Bonnie Tyler (2009).
Eingeladen vom Vorstand der Secession
Kuratorin: Jeanette Pacher