Die Film- und Videoarbeiten der amerikanischen Künstlerin Ericka Beckman thematisieren Spiele und sportliche Wettkämpfe sowie deren Regeln und Strukturen, wobei die zugrundeliegenden Spielfelder als Allegorie für die Entwicklung und Aufrechterhaltung soziokultureller Normen gefasst werden. In ihrer Ausstellung Game Mechanics zeigt Beckman die Film-Installation You the Better (1983/2015), ihren jüngsten Film Tension Building (2016) sowie Zeichnungen.
Für die Installation des Films im letzten Raum der Galerie erweitert Beckman die Projektion durch acht Lichtkästen in Form eines Hauses, die als nachgebaute Requisiten den Raum in der Tiefe strukturieren und synchron zum Rhythmus des Films ihre Lichtfarbe wechseln. Das Motiv des Hauses taucht im Film wiederholt auf. Es erscheint zuerst als Eigenheim in einer Neubausiedlung, dann als Bestandteil der Mechanik des Spiels und zu treffendes Ziel und schließlich als Anzeigetafel, die die Anhäufung von Häusern auf einem Grundstück vermerkt und so die kapitalistische Motivation hinter dem Haus nicht voranbringt.
Im anderen Film, Tension Building (2016), widmet sich Beckman dem College-Football, der Verbindung von Sport und Militär sowie den damit verbundenen Grundstrukturen von Erlebnissen und ihrer Kontrolle. Schauplatz ist in erster Linie das 1910 errichtete Harvard University Coliseum mit seiner charakteristischen Hufeisenform. Die Architektur wird durch verschiedene filmische Mittel dekonstruiert, neben Überblendungen und Stop-Motion-Animation kommt dabei der choreografierten Kameraführung eine herausragende Rolle zu, wie Beckman erklärt:
„Als ich 2006 mit der Arbeit an dem Film anfing, wollte ich sehen, was passiert, wenn ich mittels Stop-Motion-Animation verfolge, wie der Entwurf eines Gebäudes aus einem unbewegten Gesichtspunkt wie dem Blick einer Bauingenieurin durch ein Fernrohr hervorgeht. Daraus ergab sich sofort ein bewegliches Gebäude, das sich der Gestaltung des Raums durch die Architektin anpasste. Diese Entstehung einer neuen Architekturerfahrung fand ich spannend und merkte schnell, dass das Stadion ein Modell des Akts des Zuschauens darstellte; es bot verschiedene vermittelte Perspektiven auf das Geschehen auf dem Spielfeld dar, je nachdem, wo in der Architektur man Stellung bezog. Unten teilt sich einem die Wucht jedes Spielzugs mit. Auf den Rängen nehmen die Zuschauer nur die Abfolge erfolgreicher und gescheiterter Spielzüge wahr. Das Stadion ist ein Gebäude, das Spannung erzeugt, reguliert und freisetzt.“
Beckman setzt den Film selbst als Performance-Medium ein und verhandelt so grundlegende Fragestellungen wie die Konstruktion von Bewegung und Gesten, die Regulierung von Raum und Zeit und das Zusammenfügen von Imaginärem und Realem.
Für die neue, erstmals in der Secession gezeigte Fassung von Tension Building hat die Künstlerin ihre filmische Untersuchung angesichts des letzten US-Wahlkampfes noch einmal überarbeitet, um die große Bedeutung der Sportwelt und des Spektakels für die amerikanische Kultur kritisch zu unterstreichen. Es entstand ein neues Ende, in dem das Kapitol in Washington als letzte Station des Spiels erscheint. Im Internet fand Beckman das Bild von der Einweihung des Harvard Stadium 1910, bei der ein Modell des Kapitols auf dem Spielfeld stand. Dieses Schlussbild bindet das Stadion an die zugrundeliegende Struktur zurück, die sämtliche nationalen, militaristischen und wirtschaftlichen Interessen in das Spiel verwickelt.
Ein besonderes Charakteristikum von Beckmans künstlerischem Produktionsprozess ist, dass sie ihre Motive ebenso wie die komplexen zeitlichen und räumlichen Strukturen ihrer Filme vorab zeichnerisch und malerisch entwickelt. In der Galerie und im Grafischen Kabinett ist eine Auswahl aus ihren bislang unveröffentlichten Zeichnungen und Notizbüchern zu sehen.
Beckman, die heute als wichtige Vertreterin der sogenannten Pictures Generation gilt, studierte in den 1970er Jahren am renommierten California Institut of the Arts (CalArts) in John Baldessaris Post-Studio-Klasse. Weitere wichtige Einflüsse waren die New Yorker No-Wave-Szene mit ihrem medialen Cross-Over und das Werk des Entwicklungspsychologen Jean Piaget. Sie kooperierte vielfach mit KünstlerInnen ihrer Generation wie Mike Kelley, Matt Mullican, Tony Oursler und James Welling und reflektierte schon früh neu aufkommende technische Entwicklungen wie Virtual Reality, künstliche Intelligenz und Computerspiele.
www.erickabeckman.com